Media for Peace #20 Erinnerungskultur und Versöhnung durch Medien

Shownotes

Wie blicken Konfliktparteien in Kriegs- und Krisengebieten auf ihre Vergangenheit und wie prägt diese Erinnerung ihre Gegenwart? In dieser Episode wird die Wichtigkeit der Erinnerungskultur an verschiedenen Beispielen aufgezeigt. Die Host Sabrina Harper schaut gemeinsam mit den Experten Lucas Schubert und Alexander Karam in die Balkanregion und den Libanon. In beiden Regionen zeigt sich trotz der unterschiedlichen Kontexte, dass, Filme, Theater oder auch journalistische Publikationen, einen großen Beitrag zur Annäherung von Bevölkerungsgruppen haben.

Weiterführende Folgen:

Media for Peace #15 Journalistische Berichterstattung im und über den Nah-Ost-Konflikt mit Prof. Dr. Stephan Stetter und Timour Chafik

Media for Peace #6 Transparenz als journalistisches Gut zu Abhängigkeiten im Journalismus Antoni Barakat (Naqd Politics) über alternative Medien

Das ist Media for Peace. Der Podcast auf den Spuren des peace-oriented Journalismus. Eine Kooperation mit der Universität der Bundeswehr München und von DTEC.BW – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr.

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00:00:00: Journalismus der Frieden ermöglicht. Das ist Media for Peace, ein Podcast des Media Lab

00:00:11: Bayern. Herzlich willkommen, mein Name ist Sabrina Harper und ich bin eure Host. Wenn

00:00:17: wir auf das aktuelle Weltgeschehen schauen, dann haben wir einige Konfliktherde, ja gar Kriege,

00:00:23: deren Ursprung in der Vergangenheit liegt. Ich denke da zum Beispiel an den Israel-Gaserkonflikt,

00:00:29: der auch den Libanon betrifft bzw. in denen die Hisbollah verwickelt ist oder eben auch der

00:00:34: Ukraine-Grieg. Hinterall diesen Konflikten stecken lange historische Ereignisse. Aufgrund der

00:00:41: Aktualität ist es immer schwierig zurückzuschauen und zu erkennen, was war wichtig, was hat einen

00:00:47: großen Impact gehabt, was hat einen großen Faktor gespielt. Denke ich an die Jugoslawien-Kriege,

00:00:52: die 1991 begannen und zehn Jahre angedauert haben, ist das vielleicht ein besserer Kontext

00:00:59: um damals draufzuschauen, welche Rolle Erinnerungskultur in all diesen Konflikten spielt bzw.

00:01:06: welcher Faktor Erinnerungskultur bei der Befriedung solcher Konflikte tragen kann.

00:01:11: In dieser Folge möchte ich deshalb mit Lukas Schubert sprechen. Er ist Experte,

00:01:19: wenn es um die Balkan-Auseinandersetzungen geht und er hat auch sehr, sehr viel Impact,

00:01:24: wenn es um Erinnerungskultur geht. So viel schon mal vorab. Es geht nicht nur um Museen,

00:01:30: es geht auch viel um Medien. Lukas, herzlich willkommen hier im Podcast. Ja, hallo und danke,

00:01:36: dass ich dabei sein darf. Lukas, du warst an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in

00:01:41: Belgrad tätig als Projektkoordinator und wissenschaftlicher Assistent der Konrad-Adenauer-Stiftung

00:01:47: in Serbien. Du hast dich während deines Studiums intensiv mit der Außen- und Innenpolitik der

00:01:52: Länder des westlichen Balkans beschäftigt und du hast auch persönliche Connections dorthin.

00:01:58: Der Balkan war in den 90er Jahren von vielen, vielen, vielen Auseinandersetzungen und Kriegen

00:02:04: geprägt. Am besten gibst du uns mal kurz eine Einordnung über diese zehn Jahre, wie sich das dort

00:02:10: entwickelt hat mit diesem Konflikt, damit wir nach heute Parallelen ziehen können. Also im Prinzip,

00:02:16: wenn man es ganz knapp runterbrechen kann, dann ist es so, dass wir da natürlich gesehen haben,

00:02:22: den Zusammenbruch eines multietnischen Staates, also der sozialistischen, federativen Republik

00:02:27: Yugoslawien. Vor allem durch, zunächst getriggert wurde das Ganze durch ökonomische Probleme Mitte

00:02:35: der 80er, weil das muss man auch dazu sagen, das war zwar ein sozialistisches Land, aber es war

00:02:40: nicht Teil des Ostblocks, das war ein sogenannter blockfreier Staat. Aber diese wirtschaftlichen

00:02:44: Probleme haben sich dann sehr intensiviert Mitte der 80er und haben einzelne nationalistischen

00:02:52: Politiken in den jeweiligen Teilen Republiken Vorschub geleistet, die sich dann natürlich auf

00:02:56: grund der starken Durchmischung ethnischen auf dem gesamten Gebiet, ist Ema Linge

00:03:00: Yugoslaviens, sehr schnell intensiviert haben und dann 1991 auch mit einem offenen Krieg geendet haben.

00:03:07: Kannst du uns kurz nochmal einen Einblick geben, wie der Krieg gestartet ist und wie er dann auf die

00:03:13: anderen angrenzenden Länder quasi übergegangen ist? Wenn man es jetzt damals mal ganz, nur jetzt mal

00:03:19: oberflächlich, weil wir haben ja nicht so viel Zeit auch, dann war quasi der Anfangspunkt, war die

00:03:25: Loslösung von Slovenien von Yugoslawien 1991. Dieser Konflikt war aber noch nicht so ethnisch

00:03:32: aufgeladen, weil Slovenien eine relativ homogene Gesellschaft hatte und das da am Anfang nur

00:03:38: darum ging eigentlich, ob die jetzt bleiben im Völkerbund, in dem Viervölkerstaat Yugoslawien

00:03:43: oder nicht. Es kam dann allerdings sehr schnell auch zu den ersten Auseinandersetzungen auf dem

00:03:48: Gebiet der Republik Kroatien. Dort lebte eine sehr große serbische Minderheit, also 15% ungefähr.

00:03:56: Die wollten bei Yugoslawien bleiben, Kroatien wollte unabhängig werden. Das hat zu sehr,

00:04:01: sehr starken Spannungen geführt, die dann natürlich auch von den Regierungen in Sagreb und

00:04:06: in Belgrade angeheizt wurden. Also man kann ungefähr so sagen, dass mit dem ersten Schissen in

00:04:12: Borovoselo, das ist so ein Ort in Slavonia in Kroatien, hat dort der Krieg angefangen. Also

00:04:19: dieser Krieg hat auch mehrere Phasen. Man kann sagen quasi das Lovianienkrieg, der Kroatienkrieg,

00:04:23: 1992 kam noch der Bosnienkrieg dazu, als Bosnien, also vor allem der eher muslimisch und kroatisch

00:04:30: geprägte Teil sich abspalten wollte, der serbische Bevölkerungsteil wollte das nicht. Und diese Kriegere

00:04:35: ist auseinandersetzung, also dieser ersten Phase quasi die liefen bis 1995 mehr oder weniger. Die

00:04:42: zweite Phase war dann noch das Kapitel mit dem Kosovo-Konflikt 1999, bei dem vor allem halt

00:04:48: albanische Separatisten die autonome Provinz Kosovo aus der Restjugoslawien herauslösen wollten.

00:04:54: Und natürlich auch noch ethnische Spannungen und fast ein Krieg in Mazedonien dann 2001,

00:05:01: bei dem auch versuchten albanische Separatisten sich aus Mazedonien herauszulösen. Wenn man das

00:05:07: jetzt so hört, dann denkt man vielleicht an die ein oder andere aktuelle Situation, als ich denke

00:05:13: da zum Beispiel an den russischen Teil in der Ukraine, was du jetzt gesagt hast, da konnte ich

00:05:17: zum Beispiel eine Verbindung herstellen oder eben an diese Gruppe der Hisbollah, die einfach andere

00:05:25: Ziele verfolgt. Siehst du da auch parallelen, sehe ich das richtig, sehe ich das zu oberflächlich,

00:05:31: kannst du das uns noch mal in den Kontext setzen? Nee, also das siehst du nicht zu oberflächlich.

00:05:36: Ich meine natürlich sind solche Konflikte, die haben auch immer mehrere Dimensionen. Es ist ja

00:05:41: nichts Monokausales, also nur daran und daran und daran hat das gelegen. Und wir haben ganz klar

00:05:46: natürlich auch in der Ukraine, das wurde auch schon mehrfach auch in der Fachwelt zu diskutieren,

00:05:51: natürlich auch die Dimension ethnische, also Auseinandersetzung. Also wir haben in der Ukraine

00:05:56: auch einen signifikanten Anteil russischer Bevölkerung, vor allem in den östlichen

00:06:01: Landesteilen und auf der Krim, die nicht unbedingt in diesem Landesbund Ukraine bleiben wollen.

00:06:09: Natürlich in anderen Teilen der Ukraine, die sich mehr eine Westbindung wünscht und natürlich eher

00:06:16: Richtung Europa als Richtung Moskau tendiert. Und das gibt diesen diesen Konflikt natürlich auch

00:06:22: eine ethnische Komponente. Ich würde jetzt nicht sagen, dass die so stark ist wie immer die

00:06:26: Guslawien, aber sie ist dennoch da. Es geht da auch um Identität oder bzw. auch um,

00:06:32: um, sagen wir es mal, ethnisch spezifische Narrative, die da bedient werden. Aber diese Dimension ist

00:06:38: auf jeden Fall da. Und was wir auch haben, das ist auch nicht von ganz weit hergeholt, ist natürlich,

00:06:44: was du angesprochen hast, mit der Hisbollah. Die Hisbollah ist auch quasi ein Staat im Staat

00:06:50: und hat auch eine bestimmte Bevölkerungsgruppe vertritt sie, und zwar die schiitischen Libanesen.

00:06:55: Und da haben wir natürlich auch so eine Art Sektiratum innerhalb einer Gesellschaft,

00:07:02: die sich nicht mit dem Gesamtstaat identifiziert und sich unbedingt herauslösen will. Sektiratum

00:07:08: soll jetzt nicht zu hart klingen, das ist jetzt quasi nur direkt aus dem englischen Übernommen.

00:07:11: Also man nennt das dort ja auch Sektarian Violence. Wenn wir an die Balkan-Kriege zurückdenken, also

00:07:17: der Gedanke heute in der Folge ist ja mit den Erfahrungen von dort vielleicht Impulse für heute

00:07:24: zu finden. Was hat denn gut funktioniert in der Balkan-Region nach den kriegerischen

00:07:31: Auseinandersetzungen, also bei der Annäherung? Das ging natürlich auch nicht von heute auf morgen.

00:07:36: Fragen wir vielleicht mal ganz spitz. War es die Politik, die die Leute zusammengebracht hat oder

00:07:43: mehr zusammengebracht hat? Nee, das muss man ganz klar mit Nein beantworten. Also die Politik in den

00:07:50: Staaten ist immer in Jürgoslawien, sondern da sind vor allem Zunnen Serbien, Bosnien und Kroatien

00:07:56: haben eigentlich genau das Gegenteil gemacht. Also vor allem in Bosnien, wo wir ja sehr stark

00:08:02: ethnisch geprägte politische Parteien haben, die versuchen natürlich immer aus dem Aufrechterhalten

00:08:08: von so einem Spannungsnarrativ politisches Kapital zu schlagen. Also wenn man dort die großen

00:08:14: politischen Parteien sich anschaut, vor allem in Bosnien, dann ist ja quasi so der nächste Krieg

00:08:20: nur um die Ecke. Die anderen wollen uns überfallen und da müssen wir uns verteidigen und schützen

00:08:24: und ihr müsst uns wählen, damit das nicht so weit kommt, dass wir wehrlos sind. Wenn man aber jetzt

00:08:30: mal, damit wir nicht nur negative Sachen erzählen natürlich, sich anschaut, wo es wirklich positive

00:08:36: Entwicklungen gab, dann ist es ganz klar zu finden auf der Seite der ganz einfachen Leute, der Tatsache

00:08:42: geschuldet, dass die halt einfach in einem Land zusammenleben. Dass es von dort, also auf ganz

00:08:46: kleinen, ganz kleinteiligen Niveau im Prinzip, Versuche gibt sich wieder aneinander eben anzunähern,

00:08:53: weil die Gemeinsamkeiten sind ja extrem groß. Man darf das nicht unterschätzen, also die ganzen

00:08:58: Völker, die dort leben, also im Emajli Goslawin, also sagen wir es mal vor allem jetzt, Bosnien,

00:09:02: Kroatien, Serbien, das ist, die sprechen dieselbe Sprache. Auch wenn sie jetzt, sagen wir es mal,

00:09:07: wenn sie einen von denen fragen, dann würden die natürlich immer sagen, nein, nein, nein,

00:09:10: das ist was anderes, aber es ist dieselbe Sprache. Der einzige riesengroße Unterschied, wenn man es denn

00:09:15: so will, ist die Religion. Also gut, die einen sind orthodox, die anderen sind patholisch,

00:09:19: die nächsten sind muslimisch. Gut, aber das ist auch kein so überbordender Unterschied. Also es

00:09:24: wäre im Prinzip so, als würden sich jetzt wieder Protestanten und Katholiken in deutscher 37-Jährigen

00:09:28: Kriegsverfolgen, aber das würde sie nicht so eine eigene Entität machen. Trotz allem,

00:09:33: natürlich haben die ihre eigene Identität, ihre eigene Geschichte, aber die sind sich sehr,

00:09:37: sehr ähnlich, wenn nicht sogar fast identisch. Und jetzt ist es so, dass man zum Beispiel etwas,

00:09:41: was ich sehr, sehr schön fand, ist die sogenannte Kartonrevolution, heißt das in Bosnien-Herzegowina,

00:09:47: in einem kleinen Ort, der geteilt ist, also man muss ja auch dazu sagen, Bosnien-Herzegowina

00:09:52: hat zwei Entitäten, heißt das, also drei, wenn man es genau nimmt, aber die eine ist die Republik

00:09:57: Asrpska, das ist die Serbische Landesteil und die andere ist die Federazia, das ist der muslimisch-koatische

00:10:03: Landesteil. Es gibt natürlich viele Ortschaften, durch die diese Entitätsgrenze mittenhin durchläuft

00:10:10: oder beziehungsweise die in der gleichen Gemeinde liegen. Und eine Gruppe von jungen Leuten hat sich

00:10:16: jetzt letztes und dieses Jahr zusammengetan aus gemischt ethnisch, also halt bosnisch-muslimisch

00:10:23: und bosnisch-serbisch, die es eben angeprangert, dass es dort eben diese komplett künstliche

00:10:29: Teilung ihres Ortes gibt, dass es einen riesengroßen administrativen Aufwand bedeutet. Es gibt

00:10:35: zwei Verwaltungen, es gibt alles doppelt im Prinzip, weil jede Entität natürlich auf ihres

00:10:40: besteht, aber die Probleme sind die gleichen, also Korruption, Arbeitslosigkeit, Bosnien hat eine

00:10:46: unfassbar hohe Jugendarbeitslosigkeit und absoluten Stillstand, was in der wirtschaftliche

00:10:53: Entwicklung betrifft. Und diese jungen Leute eben aus beiden Entitäten haben sich zum Ziel gesetzt,

00:10:58: dass man diese artificielle, diese künstliche Spaltung endlich überwindet und dass sich auch

00:11:03: die Politik endlich um das kümmert, was den Leuten dort am wichtigsten ist und zwar, dass es

00:11:07: keine Perspektive für junge Menschen gibt. Viele junge Menschen haben es dort absolut satt,

00:11:11: also diese Erzählungen immer aus dem Krieg, immer wieder aufgetischt zu bekommen und das eben quasi

00:11:16: so jetzt musst du hier dich bereit machen, weil die werden uns wieder dies, nein, die wollen

00:11:21: ein normales Leben führen. Das sind so diese kleinen Schritte, diese kleinen Initiativen und so,

00:11:26: die einem wirklich auch Hoffnung geben, also dass es nicht das Einzige, was es da gibt. Es gibt

00:11:30: doch dieses RICO, das finde ich auch, das ist eine sehr schöne Sache, das ist ein Austauschprogramm

00:11:35: für Schüler aus der Region, da wird dann drauf, also das kommt jetzt erst so richtig ins Rollen,

00:11:41: aber da sollen zum Beispiel Schüler aus Serbien auch mal an eine Schule in Albanien gehen. Kommt

00:11:47: drauf an für wie lange, aber es soll einen Austauschprogramm geben, damit die Leute sich

00:11:51: besser kennenlernen untereinander. Weil es gibt dort ein Phänomen, im Immerlygoslavien, das nennt

00:11:55: man auch so, der Chauvinismus der kleinen Unterschiede. Das ist auch das, was ich vorhin

00:11:59: angesprochen habe. Aber viele kulturelle Eigenschaften sind sich sehr, sehr, sehr ähnlich dort. Diese werden

00:12:05: dann aber natürlich überhöht und als was das komplett riesengroße Unterschiede dargestellt,

00:12:09: was sie nicht sind. Und die Leute sollen, also junge Leute vor allem sollen das überwinden.

00:12:12: Und dieses RICO-Programm ist in meiner Ansicht nach eine sehr, sehr gute Idee, eine sehr gute

00:12:17: Initiative, dass man sowas überwindet. Weil nur mit jungen Leuten geht das. Du hast jetzt auf so

00:12:23: gesellschaftliche Dinge hingewiesen, Strömungen, die aus der Bevölkerung herauskommen. Deine

00:12:30: Beispiele waren jetzt sehr auf junge Menschen fokussiert. Wahrscheinlich gibt es das auch ein

00:12:35: bisschen bei älteren Menschen auch? Ja, also bist du in einem gewissen Grad. Aber das, also ich muss

00:12:42: ganz ehrlich sagen, dass gerade, wenn es um die älteren Menschen geht, da sind es immer noch quasi

00:12:47: immer persönliche Bekanntschaften. Also gerade bei zum Beispiel Kroaten und Serben ist es ja so,

00:12:53: die haben sehr häufig gemischte Ehen und natürlich dann auch Verwandtschaft, Hüben und

00:12:58: Rüben. Da ist es dann so, dass natürlich die Leute diese Spaltung, diese diese Trennung als etwas,

00:13:06: etwas eine schmerzliche Wunde empfinden. Oder auch zum Beispiel ein sehr interessantes, sehr

00:13:12: schönes Beispiel ist auch von meiner Frau. Sie ist aus Bosnien. Also sie ist Bosnische Serben. Und

00:13:19: ihr Onkel zum Beispiel ist unzertrennlich mit seinem besten Jugendfreund, Sandkastenfreund

00:13:25: Suleiman. Und die haben sich auch wieder nach dem Krieg getroffen, leben in gleichen Dorf miteinander

00:13:31: und helfen sich gegenseitig bei der Hausrenovierung und alles. Und da gibt es ein schönes Zitat.

00:13:35: Das war sogar in einem der ganz wenigen unabhängigen TV-Sendern zu sehen. Also die wurden interviewt,

00:13:43: die beiden, weil die ein tolles Beispiel waren für dieses Zusammenleben, Möglichkeit des

00:13:48: Zusammenlebens der beiden ethnischen Gruppen. Da haben sie gesagt, die Politiker erzählen ihre

00:13:53: Geschichte, aber wir erzählen unsere eigene Geschichte. Und das, was die sagen, interessiert uns

00:13:58: nicht. Wir wollen zusammen leben und zusammen eine bessere Zukunft aufbauen. Und genau darum,

00:14:04: ich glaube nämlich wirklich, dass es in den großen großen Teilen der Bevölkerung dort vor allem

00:14:10: in Bosnien herziger Wiener, auch bei den älteren Leuten, die Hoffnung gibt, dass sich so etwas nie

00:14:14: wieder wiederholen wird. Du hattest jetzt sehr viele Initiativen genannt, die aus der Gesellschaft

00:14:19: herausgehen und von der Politik weniger. Hier aus der deutschen Brille geschaut, denke ich,

00:14:27: bei Erinnerungskultur als erstes an Museen, da wir viele Museen haben für die Erinnerungskultur.

00:14:33: Wie ist das im Balkan? Also es ist so, dass es natürlich auch dort Erinnerungsorte gibt. Man

00:14:40: muss da ein bisschen differenzieren. Also bei uns, zum Beispiel hier im gesamten Dachraum,

00:14:43: Deutschland, Österreich, Schweiz und so, sind Museen da, spielen da eine ganz, ganz wichtige Rolle.

00:14:49: Und sie haben auch einen großen Auftrag um die Aufarbeitung von Verbrechen,

00:14:54: geht gerade aus dem zweiten Weltkrieg. Das ist jetzt so im Hinblick auf den Balkan nicht so

00:15:00: ganz einfach, muss man sagen. Also es gibt einige Museen, die sind sehr empfehlenswert. Das muss

00:15:05: man wirklich sagen. Also zum Beispiel das Gedenkzentrum in Porto Cari, zum Völkermord von Srebrenica,

00:15:10: wo Bosnisch serbische Streitkräfte 8000 muslimische junge Männer ermordet haben. Oder zum Beispiel

00:15:17: das sogenannte Museum über den Genoziht in Belgrad, mit der Abteilung über die Operation

00:15:24: Sturm 1995, bei der 200.000 koalitische Serben vertrieben wurden und bis zu 1000 ermordet wurden

00:15:30: durch die koalitischen Streitkräfte. Es gibt aber eine Vielzahl anderer Museen und auch gerade

00:15:36: dieses, was ich angesprochen habe, hat auch andere Abteilungen, die problematisch sind,

00:15:39: weil sie einen bestimmten politischen Narrativ folgen. Also da steckt dann immer dahinter so

00:15:44: ein gewisser Ethnonationalismus wieder, wo natürlich dann wieder verstärkt darauf gepocht

00:15:50: wird, ja aber nur wir sind die Opfer, alle anderen hatten gar keine Opfer. Das ist nämlich eine

00:15:54: ganz, ganz kritische Komponente dort, das muss man wirklich sagen. Also auf dem westlichen Balkan

00:15:59: ist jeder nur Opfer in der eigenen Wahrnehmung, niemand ist Täter. Das ist eine unfassbare,

00:16:04: schwierige Sache, das überhaupt zu überwinden, weil das natürlich auch politisch gefördert wird,

00:16:09: also diese Ansicht. Dass erschwert, massiv ein Aufeinander zugehen, muss man ganz ehrlich sagen.

00:16:16: Wie sich das entwickeln wird, das hängt ja auch stark von der wirtschaftlichen Entwicklung dieser

00:16:20: Länder ab, weil wie wir vorher gehört haben, sind wirtschaftliche Probleme ein, sagen wir's mal,

00:16:26: brandbeschleuniger. Dieser Perspektivwechsel höre ich raus, fehlt. Also es gibt nur Opfer und keine

00:16:36: Täter und es wird aus einem gewissen Blickwinkel auf etwas geschaut. Das ist ja auch eine Problematik,

00:16:45: die in Israel Gaza besprochen wird, ist auch eine Problematik, die wir hier in Deutschland

00:16:52: auch kennen, um das mal auch hier rüber zu holen. Ich denke da zum Beispiel an Deutschland und

00:16:59: Benin mit den Beninstatuen oder ich denke, ich bin ja in Augsburg, da war es auch ein ganz,

00:17:06: ganz großes Thema mit den Fuckern. Wie werden die Fucker im Museum dargestellt? Das war eben

00:17:13: Aussicht der Fucker sehr stark geprägt und dann gab es hier einen großen Widerstand aus

00:17:20: gewissen Teilen der Gesellschaft, die gesagt hat, hey, wir hätten auch gern da Verweise zum

00:17:25: Kolonialismus, wie dieser Reichtum der Fucker entstanden ist, wie das war, dass das ein Platz

00:17:31: bekommt. Sind das die Dinge, die du auch angesprochen hast, die ich jetzt gerade benenne mit den

00:17:37: Perspektiven? Auf jeden Fall. Also Nietzsche hat ja auch gesagt, eben alles sehen ist perspektivisches

00:17:44: sehen. Und Problematik ist natürlich, dass es einiges auch an Überwindung kostet, dass man

00:17:50: der anderen Perspektive den Raum lässt. Also dass man sagt, okay, ich sage das natürlich,

00:17:56: ich meine, das ist ja auch klar, ich kann nur über mich selbst sprechen, wie ich Dinge sehe,

00:18:01: aber dass unterschiedliche Perspektiven in Kommunikation zueinander treten, sich auch

00:18:07: austauschen, das ist etwas, was natürlich wichtig ist, aber was nicht stattfindet dort.

00:18:12: Also das muss man ganz ehrlich sagen. Es wird immer aus einer Perspektive gesprochen und die

00:18:19: andere wird möglichst negiert. Also auch auf dem westlichen Balkan ehemaliges Jugoslawien. Dabei

00:18:26: gibt es zum Beispiel gerade unter der gebildeteren zum Beispiel auch Jungen Bevölkerungsschicht,

00:18:31: gerade in Serbien und gerade auf Inkroatien und so Bestrebungen, dass man sagt, natürlich sind

00:18:37: unsere Robben wichtig und so. Aber wir müssen auch mal darüber reden, was wir gemacht haben.

00:18:41: Weil ansonsten ewig kann das ja nicht so weitergehen, aber das wird eher von Studenten

00:18:46: dann vorgetragen und es hängt dann auch ab von welcher Fakultät zum Beispiel dort. Es gibt

00:18:52: unterschiedliche Lager und so, die unterschiedliche Meinungen vertreten, aber dass man sagt wirklich,

00:18:59: dass man mal einen Schritt zurückgeht, vor allem auch mal die Kurve hinkriegt,

00:19:03: von, das muss man immer fein unterscheiden, finde ich, von Patriotismus und Nationalismus. Weil

00:19:09: Patriot zu sein, für das eigene Land weiterbringen wollen und so, ist finde ich etwas absolut

00:19:14: fundamental anderes als ein Nationalist zu sein. Ein Nationalist ist jemand, der "My Country

00:19:20: right or wrong" sagt und im Prinzip eigentlich ja einer Ideologie nachhängt. Nationalismus ist ja

00:19:27: eine Ideologie, das hat mit Patriotismus nichts zu tun, aber wir reden dort eben über Nationalismen.

00:19:33: Und ich glaube, dass gerade das auch, was du angesprochen hast, das ist auch mit den Fugern

00:19:39: zum Beispiel und so was, die Fugger sind ja ein, jetzt möchte ich nicht sagen nationales Heiligtum,

00:19:44: davon gibt es in Deutschland ja nicht mehr so viel, das ist eher wieder so eine Balkanggeschichte,

00:19:48: aber trotzdem ist da viel symbolik dahinter. Und das ist natürlich dann auch wieder so das feine

00:19:55: Unterscheidungsmerkmal meiner Meinung nach, ob das abgleitet eben Nationalismus. Die Fugger waren

00:20:01: einfach die besten, größten Holsten und egal was anderes geschehen ist und das ist eben der falsche

00:20:07: Ansatz und deswegen kann ich das auch nachvollziehen, dass man da eben sagt, hey aber wir wollen auch mal

00:20:11: über die andere Seite reden, was wie das so dazu gekommen ist. Das schmälert ja nicht das Ansehen,

00:20:18: sondern macht die Geschichte ein bisschen kompletter. Ja, transparenter einfach. Weshalb ist das in den

00:20:26: ehemaligen Ländern auf dem Balkan zu schwierig? Ist das politisch getrieben? Auch, ja. Es hat

00:20:34: mal wieder sehr viele Dimensionen, es hat wie ich angesprochen hat, also wird daraus politisches

00:20:38: Kapital geschlagen. Also wenn man jetzt natürlich die ganze Zeit die Bevölkerung unter dem Eindruck

00:20:44: hält, dass die nächste kriegerische Auseinandersetzung, denn das nächste Chaos, das nächste Katastrophe

00:20:51: nur um die Ecke ist und dass die einzige Möglichkeit das abzuwenden ist quasi diese eine

00:20:56: Partei zu wählen, weil nur die schafft das quasi das Land und die Leute zu verteidigen. Dann passiert

00:21:03: ja was, was wir ja auch aus dem hervorragenden Roman von Jaws Orwell kennen, 1984. Da ist ja auch

00:21:08: immer dieser permanente Kriegszustand, dieser permanente Konfliktzustand und bedrohungt er quasi

00:21:14: das Denken der Leute einschränken soll. Wir müssen es natürlich dann auch noch auf eine andere

00:21:19: Ebene heben, also weg von diesem Kleingeld, das da geschlagen wird und die Rolle betrachten,

00:21:25: die dann natürlich auch die internationale Gemeinschaft hat, die sich nicht gerade mit

00:21:30: rumbekleckert, sagen wir es mal so, wie man zum Beispiel auch sieht bei der Arbeit des

00:21:36: internationalen Strafgerichtshof für das jemals Jugoslawien in Den Haag, was natürlich eine

00:21:41: wichtige Institution ist, bei der eben Kriegsverbrechen verfolgt wurden. Nur es ist eines zum Beispiel

00:21:47: geschehen, was den Serbien für sehr viel Unmut gesorgt hat und zwar war das der Freispruch für die

00:21:52: zwei federführenden Generäle, eben bei dieser Operation Sturm, Gotovina und Marczak, die frei

00:21:59: gesprochen wurden aus dem Grund heraus, dass sie ja nur Befehle befolgt hätten. Das hat in Serbien

00:22:05: für komplettes Unverständnis eben auch unter den Opfern dieser Vertreibungen geführt und gesagt,

00:22:10: aha, schaut, das ist ein Tribunal, das nur gegen Serben gerichtet ist. Also was natürlich nicht

00:22:15: so war, klar, das gab keine Agenda dahinter, aber trotzdem war einfach diese Urteile, solche Urteile

00:22:23: haben die Arbeit auch des ICTY stark, stark, stark kontakariert und haben gegenteilige Effekte

00:22:30: erzeugt, weil auch vor allem Leute sagen so, was ist denn eigentlich jetzt mit unseren Opfern? Sind

00:22:35: wir nichts wert? Daraus kann man ja ziehen, dass auch die internationale Politik, unsere Außenpolitik,

00:22:44: die weltweite Außenpolitik eben eine sehr große undragende Rolle spielt in der Befriedung dieser

00:22:52: Gesellschaften. Ganz genau richtig. Also es geht vor allem, also wieder dieses Aufeinander zugehen,

00:22:59: man muss es ja auch so sehen, mit im Jahr 2000 ist zum Beispiel ein Land wie Serbien, das ja da

00:23:04: noch in der sogenannten Bundesrepublik Jugoslawien, das war dieser Reststaat, der geblieben ist,

00:23:09: Teil dieser Bundesrepublik war, ging es ja auch vor allem darum, dass man das Land ja auch wieder

00:23:14: zurück in die internationale Gemeinschaft führt. Also das Land war isoliert weitestgehend, das Land

00:23:20: war quasi auch ausgeschlossen aus sehr, sehr vielen internationalen Gremien, aus sehr vielen

00:23:25: internationalen Verbänden. Es ging darum auch dieses Land wieder zurückzuholen, also auch in

00:23:29: Schritt darauf auf Serbien zuzugehen zum Beispiel. Das wurde, sagen wir es mal, halbherzig betrieben,

00:23:37: auf eine Art und Weise, muss man sagen. Und es gibt natürlich auch wieder Anzeichen, dass da wieder

00:23:43: wirtschaftliche Interessen dahinter standen. Also wenn man sich jetzt auch die derzeitige Regierung

00:23:47: anschaut, die natürlich auch aufgebaut wurde, sagen wir es mal, von der EU, weil man sich dachte,

00:23:54: der sorgt für Stabilität der derzeitige Staatspräsident Alexander Wucic, dass er eine

00:23:59: Vergangenheit auch unter dem Milošević-Regime hatte und dass er da auch, sagen wir es mal,

00:24:03: schon eine relativ große dunkle Rolle gespielt hat, das war dann erst mal egal. Trotzdem hat man

00:24:09: sich da, wie man so schön sagt, jetzt eben mit den falschen Leuten ins Bett gelegt und sich dort

00:24:14: einen Autokraten geschaffen, den man nicht so leicht wegbekommt. Hier in diesem Podcast geht es ja

00:24:19: auch um Journalismus und Medien. Inwiefern spielen die eine Rolle in der Prägung von Erinnerungskultur?

00:24:26: Massiv. Also es ist ja immer so, es ist ein bisschen deprimierend manchmal. Also die meisten

00:24:33: auch Geschichten, die meisten Entwicklungen, die man eigentlich zu berichten hat eben aus dieser

00:24:39: Region sind keine positiven, leider Gottes. Also das ist so. Die Medien haben auf der einen Seite,

00:24:45: sie haben eine sogenannte Media State Capture Situation dort, also sehr große, sehr viele

00:24:51: Medienhäuser sind dort unter direkter Kontrolle der regierenden Parteien, gerade in Serbien,

00:24:56: oftmals auch eben in Bosnien und die tragen natürlich diesen eher nationalistischeren

00:25:02: Narrativ weiter in die Gesellschaft. Quasi endlose Wiederholen, ja wir sind ja nur die Opfer und

00:25:08: die anderen wollen uns alle vernichten und die ganze Welt hat was gegen uns, vor allem im serbischen

00:25:14: Kontext. Es gibt aber ein paar Lichtblicke, das muss man also damit wir nicht wirklich nicht nur

00:25:18: hier die absoluten Schattenseiten thematisieren. Es gibt zum Beispiel eine Plattform, also das

00:25:24: Balkan Investigative Research Network, das ist ein Zusammenschluss von jungen unabhängigen

00:25:30: Journalisten, die vor allem eine Publikation betreiben, die Balkan Insight heißt. Und da wird

00:25:37: wirklich tatsächlich investigativer unabhängiger Journalismus gemacht. Also da haben wir wirklich

00:25:42: die Stories, die sich vor allem drehen um Korruption, um organisierte Kriminalität und

00:25:48: Verwicklungen des Staates, wo es eben um wirtschaftliche Themen geht, abseits von diesem

00:25:53: Narrativ, der da vor allem zum Beispiel von Präsident Wurzsche immer wieder gefahren wird,

00:25:58: dass Serbien ja unter seiner Herrschaft eine goldene Zeit erlebt und so. Also da muss man

00:26:02: wirklich sagen, das ist wirklich was positive. Es gibt auch klicks.ba, das ist in Bosnien so ein

00:26:07: bisschen was Unabhängigeres oder sehr Unabhängiges.

00:26:11: Wir haben auch index.hr in Kroatien, das ist auch unabhängiger, da wird wirklich auch der Finger in die Wunde gelegt.

00:26:17: Da werden auch eben Insider-Geschichten rausgebracht, die von öffentlichem Interesse sind.

00:26:22: Wir haben aber auch gerade in Serbin zum Beispiel auch eine Plattform, die sich beschäftigt, zum Beispiel mit Medienkontrolle durch den Staat,

00:26:30: das ist zum Beispiel Zensolovka, heißt die Seite.

00:26:33: Wir haben Whistleblower-Plattform, und die sind natürlich am starken Verfolgungsdruck durch den Staat ausgesetzt in Serbin.

00:26:39: Das darf man nicht vergessen, es gibt Mordanschläge, organisierte auch Journalisten, unabhängige.

00:26:44: Ist es auch eine andere Art von Journalismus, also nicht nur vom Format, sondern auch von der Ausrichtung,

00:26:51: würdest du es als Friedensfördernden-Journalismus bezeichnen?

00:26:55: Absolut. Also diese unabhängigen Plattform, die ich genannt habe, das ist tatsächlich Friedensfördernder-Journalismus.

00:27:02: Weil dort nämlich eben auch darauf geschaut wird, dass alle Seiten zur Sprache kommen.

00:27:07: Also wir haben da nicht diese Einseitigkeit, also dass man nur über die eigenen Opfer redet, sondern da wird über alle gesprochen.

00:27:14: Und das hat tatsächlich, das öffnet die Perspektiven.

00:27:18: Das Problem ist natürlich nur, die werden kaum gelesen.

00:27:21: Das ist ein richtiges Problem.

00:27:23: Das liegt aber nicht so sehr daran, dass die Leute das nicht interessieren würde,

00:27:27: sondern es wird natürlich von gerade politischer Seite alles getan, dass die Reichweite dieser Medien möglichst gering bleibt.

00:27:33: Also zum Beispiel, aber Borken-Inzart ist über das Internet erreichbar.

00:27:36: Jetzt ist die Sache halt natürlich, dass wenig Leute darüber wissen über diese Seite.

00:27:42: Das ist auch geschickt gemacht von staatlicher Seite.

00:27:45: Also die werden auch nicht direkt angegriffen in den sammarsma staatlichen Medien und so,

00:27:49: weil man sie natürlich nicht erwähnen will, dass sie nicht noch mehr Reichweite bekommen.

00:27:54: Neben dem Journalismus oder klassischen journalistischen Publikationen,

00:28:00: Medien sind ja auch Film, Theater, Musik. Siehst du da Ansätze, die gut wirken könnten?

00:28:08: Ja, auf jeden Fall. Also wir haben zum Beispiel eine große und sehr, sehr gute Filmmacher Szene.

00:28:16: Gerade in Serbien, die wirklich ganz, ganz tolle Filme rausgebracht haben,

00:28:21: die sich mit diesem Themen halt der Erinnerungskultur und auch wieder der Anlehrung und so auseinandersetzen.

00:28:29: Da ist zum Beispiel gerade zu nennen, also einen Film, der mich auch persönlich sehr, sehr beeindruckt hat,

00:28:35: ist Krugeri, also die Kreise von Srdjankolubovic.

00:28:39: Da geht es eben gerade darum, wie solche interethnische Gewalt sich langsam entwickelt

00:28:46: und wie die Opfer, ob hier Hüben oder drüben, also egal auf welcher Seite quasi das Konflikt,

00:28:53: immer ganz einfache Menschen sind. Long Story Short im Prinzip, es geht um quasi den Ausbruch

00:28:58: eben dieser Gewalt in einem Ort, der ist Trebinger in der Herze Gorina.

00:29:02: Ein Kioskbesitzer muslimischer wird von Soldat Tesskas Serbischen Übelst zusammengeschlagen

00:29:08: und ein junger Serb bekommt ihm zur Hilfe, weil sie Freunde sind und der kommt dann zu Tode,

00:29:13: seine Familie emigriert. Da geht es auch ganz stark um eben, wie die Familien zerrissen werden in diesem ganz...

00:29:21: Also wirklich, das ist ein sehr, sehr sehenswerter Film, den kann ich wirklich nur empfehlen.

00:29:24: Es gibt sehr viele davon.

00:29:26: Abschließend, was würdest du sagen, vielleicht hast du auch noch eine Evidenz dazu,

00:29:31: welche Rolle spielt Erinnerungskultur in dem Überwinden von Konflikten damals wie heute?

00:29:40: Ich denke eine absolute Zentrale. Die Sache ist ja auch, wenn wir das jetzt zum Beispiel auch mal wieder den Kontext

00:29:46: so zu uns zurückbringen, also gerade auch auf Deutschland oder jetzt zum Beispiel auch Österreich,

00:29:51: geht es natürlich darum auch immer wieder, die eigene dunkle Vergangenheit zu akzeptieren.

00:29:58: Und dass es diese Seite gab, dass gerade diese Erkenntnis dazu führen muss,

00:30:04: dass sich sowas nie wieder wiederholen darf.

00:30:07: Und das ist auch etwas, das immer am Leben gehalten werden muss.

00:30:11: Es ist natürlich stark, auch abhängig davon, wie es um die ökonomische Lage in einem Staat aussieht.

00:30:18: Das wollte ich nämlich auch noch ansprechen.

00:30:20: Das war natürlich etwas, was uns hier in Deutschland, vor allem Westdeutschland, möglich war,

00:30:26: also uns auch mit diesen Fragen auseinanderzusetzen,

00:30:29: eine Gesellschaft einen gewissen ökonomischen Aufschwung nach dem zweiten Weltkrieg erfahren hat, also in den 60ern.

00:30:35: Da haben die jungen Leute dann auch begonnen, ihre Eltern zu fragen, was war denn damals los,

00:30:39: was habt ihr damals eigentlich gemacht während der Zeit 33 bis 45?

00:30:45: Das ist jetzt etwas, was man auf dem westlichen Balkan jetzt nicht so sieht,

00:30:48: weil der ist das ökonomische Stillstand im Prinzip seitdem auseinanderbrechen dieser Staaten,

00:30:52: jetzt nicht unbedingt in Kroatien, das ist auch Teil der EU geworden.

00:30:56: Man muss aber auch sagen, also trotzdem ist da jetzt,

00:30:59: es ist nicht so vergleichbar mit dem Riesenaufschwung, der in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg hatte,

00:31:03: aber in Serbien und Bosnien ist wirklich absoluter Stillstand.

00:31:06: Die Leute kämpfen dort, ums täglich überleben.

00:31:09: Also das muss man wirklich sagen.

00:31:11: Durchschnittslöhne sind unfassbar gering, Arbeitslosigkeit ist massiv, vor allem in Bosnien.

00:31:16: Die Leute haben dort einfach andere Sorgen und deswegen spielt dort Erinnerungskultur noch keine so große Rolle.

00:31:23: Also nicht die Rolle, die sie sollte, sagen wir es mal so.

00:31:26: Und man muss leider auch dazu sagen, es gibt auch ein paar Probleme mit verschiedenen NGOs,

00:31:30: die im Prinzip selber das ganze Erinnerungskultur-Ding als großen Geldautomaten sehen für sich selber.

00:31:37: Das ist auch ein Problem, das muss man auch mal wirklich ansprechen, leider Gottes.

00:31:41: Und die natürlich auch eine negative Rolle dann haben, weil die Leute sind ja nicht blöd,

00:31:45: die merken das ja auch und die sehen das.

00:31:47: Deswegen Erinnerungskultur ist ein absoluter Schlüsselmoment,

00:31:51: auch für die Verhinderung zukünftiger Konflikte,

00:31:54: auch gerade in solchen multietnischen Gebieten wie dem Emanigus Lavien.

00:31:59: Sie kann aber leider Gottes, wie es scheint, nur richtig funktionieren,

00:32:04: wenn es einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung gibt.

00:32:07: Sehen wir auch gerade, nur ganz kurz anzuschneiden, noch eine gegenwärtige Entwicklung

00:32:11: mit den Lithiumminen, die geplant sind in Serbien zum Beispiel.

00:32:15: Das hat eine riesige Protestbewegung dort losgetreten innerhalb der Bevölkerung Serbians,

00:32:21: die gesagt haben, warum sollen wir unsere Natur zerstören hier, wir wollen das nicht.

00:32:25: Und dafür fühlen sich die Leute dort, muss man auch sagen, von der internationalen Gemeinschaft,

00:32:29: dass wir sie am Stich gelassen haben, weil es ist gerade Deutschland,

00:32:32: die diese Minen dort vorantreiben will wegen der grünen Verkehrswende,

00:32:36: aber auch mal ja für Elektroautos.

00:32:38: Und da sagen sich die Leute dann auch, sind wir hier nichts wert,

00:32:42: bei sich selber graben sie kein Lithium bei uns schon.

00:32:45: Ja, vielen Dank, dass du nochmal dieses aktuelle Thema aufgegriffen hast.

00:32:49: Da kommt auch wieder diese Perspektivenvielfalt hinein.

00:32:52: Denn aus europäischer Sicht würde man ja sagen, hey, wir brauchen eine Unabhängigkeit

00:32:56: und müssen in Europa Ressourcen schaffen.

00:32:58: Und gleichzeitig sagt man dann eben aus dem betroffenen Land,

00:33:02: was auch total nachvollziehbar ist, warum wollen die jetzt die Rohstoffe bei uns holen,

00:33:05: warum holen die sich nicht die im Ihrem Land oder eben wie bisher.

00:33:09: Und damit kommt wieder der Konflikt auf.

00:33:12: Vielen Dank, Lukas, für die Kontexte und Einblicke

00:33:16: und viele, viele, viele Perspektiven, die du uns geliefert hast.

00:33:20: Hat sehr viel Spaß gemacht dabei zu sein.

00:33:25: Gerne möchte ich mit euch noch einen Blick in die Praxis werfen.

00:33:28: Alexander Karam ist Teil von WHAT IF.

00:33:31: Das ist eine journalistische Plattform zur Förderung der Dialogfähigkeit

00:33:35: und die hat das Ziel, einen friedensorientierten Ansatz im Journalismus zu schaffen.

00:33:40: Alexander ist in Deutschland aufgewachsen, hat libanesische Wurzeln

00:33:48: und lebte bis vor kurzem noch in Paris.

00:33:50: Somit hat er sehr viele kulturelle Eindrücke gesammelt.

00:33:53: Gerade führte er mit einer Gruppe von verschiedenen libanesischen Personen

00:33:57: einen Austausch zum Thema Erinnerungskultur.

00:34:00: Und jetzt ist er hier.

00:34:02: Ich freue mich, Alexander, dass du es geschafft hast, hier in dem Podcast zu kommen.

00:34:06: Herzlich willkommen.

00:34:07: Heißer Brina, vielen Dank für die Einladung.

00:34:09: Du versuchst als Teil von Media for Peace.

00:34:12: Ich habe es gerade schon so ein bisschen angeschnitten, was ihr macht.

00:34:15: Journalistische Ansätze darzustellen und dabei ein Dialog zu fördern

00:34:20: und das Ganze eben in diesem Rahmen "What if".

00:34:23: Erzähl bitte trotzdem noch mal so aus der Innenansicht,

00:34:26: wie muss man sich das vorstellen?

00:34:28: Gerne.

00:34:29: Was wir machen, ist eigentlich ganz einfach.

00:34:31: Wir bringen Menschen zusammen und diskutieren mit ihnen über die Zukunft.

00:34:34: Deshalb auch der Name "The What If".

00:34:36: Dabei geht es um Themen, die gesellschaftlich noch ungelöst sind

00:34:39: oder ein Konflikt sind.

00:34:41: Das heißt, im öffentlichen Raum werden diese Fragen wenig diskutiert

00:34:44: und was wir quasi mit den Dialogen machen,

00:34:47: um einen Raum öffnen, dass Leute darüber sprechen können.

00:34:51: Der Vorteil ist, wenn die Leute über die Zukunft sprechen,

00:34:53: dass sie gemeinsam eine Vision aufbauen können,

00:34:56: dass sie gemeinsam die bestehenden Gräben, die man oft hat,

00:34:59: wenn man in Konflikten gegenübersteht, überwinden können,

00:35:03: indem man gemeinsam Brücken baut

00:35:05: und nicht über die Vergangenheit nachdenkt und über die Gegenwart,

00:35:08: sondern wie kann man gemeinsam zu einem bestimmten Thema

00:35:11: in fünf bis zehn Jahren handeln?

00:35:13: Wir hatten jetzt eben gerade schon so ein bisschen über die Situation

00:35:17: im Balkan gesprochen.

00:35:19: Du bist sehr aktiv im Thema Libanon.

00:35:22: Da ist die Situation ja auch nochmal sehr speziell.

00:35:25: Vielleicht kannst du uns nochmal kurz umreisen,

00:35:27: wie das da genau ist, wenn du sagst über Konflikte sprechen

00:35:31: oder daher schon Konflikte, die im öffentlichen Raum ungelöst sind.

00:35:35: Was muss ich mir da vorstellen für Konflikte?

00:35:37: Tatsächlich ganz unterschiedlich.

00:35:39: Ich glaube, es hilft sich einmal den Libanon vorzustellen,

00:35:43: wie er geografisch situiert ist.

00:35:46: Einmal ist es ein Land halb so groß wie Hessen,

00:35:48: in dem 18 Religionsgemeinschaften leben auf engsten Raum

00:35:52: in einer Region, die von Krisen und Konflikten seit Jahren geprägt ist.

00:35:57: Dann ist es nachvollziehbar, dass innerhalb dieser 18 Religionsgemeinschaften

00:36:00: auch viele Streitigkeiten und Konflikte, die sonst in der Region auftreten,

00:36:05: auch unter diesen 18 Religionsgemeinschaften auftreten.

00:36:08: Die gesellschaftlichen Konflikte, die dort bestehen,

00:36:11: sind maßgeblich getrieben durch das gesellschaftliche

00:36:15: und politische System des Libanons,

00:36:18: das durch die Einbettung in diesem regionalen Kontext

00:36:21: und durch die sehr spezifische Geschichte auf kleinsten Raum

00:36:24: mit diesen ganzen Religionsgemeinschaften geprägt ist.

00:36:26: Wir haben schon in den vorherigen Folgen ein bisschen

00:36:29: über die Konflikte immer mal wieder gesprochen,

00:36:31: nur um noch mal ein paar Stichworte hierzulassen.

00:36:34: Es gab zum Beispiel eine sehr große Finanzkrise im Libanon,

00:36:37: die viel durchgeschüttelt hat.

00:36:39: Dann Alexander Widow sagst die vielen Religionsgemeinschaften,

00:36:43: die natürlich jede durch ihre individuelle Brille auf etwas schaut.

00:36:47: Und natürlich haben wir das aktuelle Thema mit der Hisbollah

00:36:51: in Bezug auf den Israel-Gaserkonflikt-Krieg.

00:36:55: Also, das sind jetzt drei Stichworte, die sehr groß sind im Libanon.

00:36:59: Natürlich gibt es noch vieles darüber hinaus.

00:37:02: Wir werden jetzt auch nicht näher auf diese ganzen Themen eingehen.

00:37:05: Wir sind ja heute da, um über Erinnerungskultur zu sprechen.

00:37:08: Und du hattest eben schon erwähnt,

00:37:10: wenn ihr im Dialog über Zukunfts sprecht,

00:37:12: dann hilft das quasi Gräben zu überwinden.

00:37:16: In welche Rolle spielt da Erinnerungskultur in diesem ganzen Kontext?

00:37:20: Also, wie muss sich das da verorten?

00:37:22: Die Erinnerungskultur ist tatsächlich geprägt dadurch,

00:37:26: dass es keine gibt.

00:37:28: Es gibt keine libanesische Erinnerungskultur.

00:37:31: Die 18 Religionsgemeinschaften

00:37:33: haben alle ihre eigene Erinnerung.

00:37:35: Innerhalb dieser Gemeinschaften gibt es dann eine Form von

00:37:39: ritualisierter Erinnerung.

00:37:41: Dies aber Teil des Problems,

00:37:43: weil jede Gemeinschaft nur über ihre eigene Erinnerung nachdenkt.

00:37:47: Nimmt man dann die ganzen Krisen und Konflikte dazu,

00:37:50: die es jetzt im Land und in der Region gibt,

00:37:52: ist verständlich, dass die Anstrengung, die unternommen werden müsste,

00:37:57: um die in jeder einzelnen Gruppe vorhandene Erinnerungskultur

00:38:00: auf eine nationale Ebene zu erweitern,

00:38:03: dass diese Anstrengung nicht unternommen werden kann,

00:38:06: weil das Land von so vielen Krisen und Konflikten geprägt ist.

00:38:09: Ihr habt einen Dialog zu diesem Thema gehalten.

00:38:13: Und in diesem Dialog waren verschiedene Akteure,

00:38:15: Akteurinnen dabei, die mit dem Libanon verwurzelt sind,

00:38:19: die dort leben, die Herkunft aus dem Libanon haben, etc.

00:38:24: Wie war das, als die über dieses Thema gesprochen haben?

00:38:27: Wie muss ich mir das vorstellen?

00:38:29: Ist das überhaupt ein Konsens?

00:38:31: Ja, das Thema war sehr spannend,

00:38:33: weil es ist natürlich herausfordernd,

00:38:35: gleichzeitig über die Zukunft, als auch über die Vergangenheit zu sprechen.

00:38:38: Das heißt, unser Ansatz war zu sagen,

00:38:40: wie kann man sich in der Zukunft erinnern an das,

00:38:43: was in der Vergangenheit passiert ist?

00:38:45: Und der Konsens, der dabei besteht, ist,

00:38:48: dass gesagt wird, ja, es ist wichtig, sich zu erinnern,

00:38:51: aber wo dann der Konflikt oder die Unterschiede auftreten,

00:38:54: ist an was man sich erinnert.

00:38:56: Was konkret ist denn erinnerungswürdig?

00:38:58: Und das haben wir auch im Dialog gemerkt,

00:39:00: dass die teilnehmenden einzelne Subkonflikte

00:39:03: des zugrunde liegenden libanesischen Bürgerkriegs genannt haben

00:39:07: und gesagt haben, oh, das ist doch viel zu wenig beachtet,

00:39:09: oder das ist doch was, auf das man Wert legen muss.

00:39:12: Oder ich finde den Begriff "Civil War" gar nicht gut.

00:39:15: Ich finde, es ist eigentlich eher ein libanesischer Krieg.

00:39:17: Also es wurde sehr viel diskutiert über, was welche Relevanz hat.

00:39:20: Zum Beispiel hat ein Teilnehmer, der aus dem Süden des Libanons kommt,

00:39:23: ein Shi'id ist, dadurch auch unter einer israelischen Besatzung,

00:39:27: gelitten hat, lange Jahre nachdem der Bürgerkrieg vorbei war,

00:39:30: hat er gesagt, diese Besatzung, die wir dort hatten,

00:39:33: das ist etwas, was uns auch nach dem Bürgerkrieg noch geprägt hat

00:39:36: und das wird viel zu wenig beachtet.

00:39:38: Gleichzeitig hat ein Politiker einer großen christlichen Partei gesagt,

00:39:41: dass ein Massaker, was von Palästinenser an Christen begangen wurde,

00:39:46: nicht so im öffentlichen Diskurs dargestellt ist,

00:39:49: wie es nach seiner Ansicht eigentlich gewesen ist.

00:39:52: Das heißt, es geht sehr viel um Anerkennung,

00:39:56: um wie gibt man der Erinnerung Raum in der Zukunft

00:40:00: und weniger um direkte Anschuldigungen oder um Konflikte.

00:40:05: Was da auch mitschwingt oder was ich daraus höre,

00:40:08: das hatten wir auch im vorherigen Gespräch, ist die Perspektive.

00:40:12: Also, dass man auf eine Sache schaut, aus der eigenen Perspektive

00:40:17: und im vorherigen Gespräch wurde es so ausgedrückt,

00:40:20: die anderen sind immer die Täter und ich bin immer das Opfer.

00:40:25: Kann man sagen, das ist auch so in diesem Dialog gewesen,

00:40:29: dass das zu überwinden galt?

00:40:31: Ja, tatsächlich.

00:40:32: Die Aufteilung zwischen Täter und Opfer

00:40:34: ist etwas, was den gesamten Prozess der Erinnerungskultur aufhält.

00:40:39: Weil man selber denkt, die anderen sind schuld,

00:40:42: wie du es gerade sagst, und die anderen denken das Gleiche.

00:40:45: Ein Ansatz, der im Dialog dazu kam, wie man den ganzen begegnen kann,

00:40:49: ist es auf die individuelle Ebene zu gehen.

00:40:51: Das heißt, die Leute einfach emotional erzählen zu lassen,

00:40:55: was sie erlebt haben, was sie verbinden mit der Erinnerung,

00:40:58: ist es vielleicht ein Geräusch, ein Geruch, ein Ort,

00:41:01: also wirklich individuellste Ebene und sehr emotional.

00:41:06: Und das ist der Zugang, der tatsächlich im Libanon viel bewirkt aktuell.

00:41:11: Es gibt viele Kunstprojekte, Kulturprojekte, Theaterprojekte,

00:41:15: die genau das machen, wo Menschen auf einer individuellen Ebene

00:41:20: sich ausdrücken können, wo ihnen Freiraum gegeben wird,

00:41:23: alles, was sie fühlen, zu dem, was sie erlebt haben, darzustellen.

00:41:27: Und dann merkt man, wenn man Teil einer Gruppe ist

00:41:30: und sieht, wie die Person einer anderen Gruppe

00:41:33: gewisse Emotionen nach außen trägt,

00:41:35: dass man vielleicht auch selber diese Emotionen hat.

00:41:37: Und dann baut man eine Verbindung auf zu einer Person der anderen Gruppe.

00:41:41: Die Herausforderung ist dabei, dass das Ganze

00:41:43: erst mal nur die individuelle Ebene ist.

00:41:45: Und einige Dialogteilnehmende haben berichtet,

00:41:48: nachdem sie diese Projekte gemacht haben, diese Kunstprojekte,

00:41:52: dass sobald es dann wieder auf die kollektive Ebene ging,

00:41:55: das heißt, sobald man sich als Individuum

00:41:57: als Teil einer Religion oder einer politischen Gruppe definiert hat,

00:42:01: dann kam direkt wieder die Résentiments

00:42:03: und dieses Bedürfnis, sich als Teil seiner eigenen Gruppe zu sehen.

00:42:08: Und das zeigt, finde ich, sehr gut,

00:42:10: dass ein Ansatz, der viel Potenzial hat,

00:42:13: dieser künstlerisch-kulturell, individuell-emotionale Ansatz ist.

00:42:17: Weil über das kann man Menschen erreichen, gruppenübergreifend.

00:42:21: Während den Kriegen in der Balkanregion

00:42:25: hat diese Erinnerungskultur auch gut über Filme funktioniert,

00:42:30: wie wir eben erfahren haben, und über Grassroots-Bewegungen,

00:42:35: also von unten nach oben.

00:42:37: Wollen wir nochmal auf diesen Punkt schauen,

00:42:39: weil wenn wir starten mit Erinnerungskultur,

00:42:42: zumindest ging es mir so,

00:42:44: da denke ich als erstes an Museen.

00:42:47: Wir brauchen ein Museum

00:42:49: oder wir brauchen ein Erinnerungsband,

00:42:53: das irgendwo aufgestellt ist.

00:42:55: Jetzt sagt ihr beide mir in diesem Gespräch,

00:42:59: irgendwie ist dieses kulturelle Theater, Filme,

00:43:03: etwas, was die Leute dazu bringt,

00:43:06: über diese Dinge zu sprechen,

00:43:08: eine Erinnerungskultur aufzubauen,

00:43:10: Verständnis zu schaffen, Résentiments abzubauen.

00:43:13: Machen wir irgendwas falsch,

00:43:15: wenn wir als erstes an Museen denken,

00:43:18: weil irgendwo muss ich ja auch diesen Gedanken her haben,

00:43:21: Erinnerungskultur, gleich Museum.

00:43:24: Nein, das ist sehr verständlich,

00:43:26: dass du zuerst an Museen denkst.

00:43:28: Und dieser Gedanke kommt, denke ich, daher,

00:43:30: dass du in Deutschland lebst.

00:43:32: In Deutschland haben wir den Luxus,

00:43:34: wie in vielen europäischen Staaten,

00:43:36: dass wir einen öffentlichen Raum haben,

00:43:38: in dem man sich frei äußern kann.

00:43:40: Und in diesem Raum ist es auch möglich,

00:43:43: sich über Vergangenes Leid zu informieren.

00:43:46: Natürlich haben wir mit dem Holocaust

00:43:48: eine enorme Verantwortung an unsere Vergangenheit.

00:43:50: Und dementsprechend ist es dem deutschen Staat auch wichtig,

00:43:53: dass dort Erinnerungskultur aufrecht erhalten wird.

00:43:56: Und es führt viel Geld reingegeben.

00:43:58: Wenn wir jetzt aber mal den Kontext verändern

00:44:00: und in den Libanon oder in den Balkan schauen,

00:44:02: dort sehen wir, also jetzt vor allem im Libanon,

00:44:04: im Balkan kenne ich mich nicht so gut aus,

00:44:06: dass vor allem im Libanon die staatliche Bereitschaft dazu,

00:44:09: das zu unterstützen, nicht vorhanden ist.

00:44:11: Ich war selbst im Auslandsemester an einer Universität dort,

00:44:16: wo ich einen Kurs hatte,

00:44:18: bei dem es um die Erinnerungskultur im Libanon ging.

00:44:21: Der Professor hat dort erzählt,

00:44:23: dass er, als er diesen Kurs vor 20 Jahren zum ersten Mal gemacht hat,

00:44:26: dass die Polizei vorbeigekommen ist,

00:44:28: um zu überprüfen, was er denn da in diesem Kurs erzählt.

00:44:30: Weil das Thema Erinnerungskultur auf staatlicher Ebene

00:44:34: sehr, sehr schnell, sehr politisch werden kann.

00:44:37: Man muss sich vorstellen,

00:44:39: das libanesische politische System ist eine Konkordanzdemokratie.

00:44:44: Das heißt, je nach Religion, die du hast,

00:44:48: sind bestimmte Posten für dich vorgesehen.

00:44:50: Das System, das nach Konfession bzw. Religion ausgerichtet ist,

00:44:55: führt natürlich dazu,

00:44:56: dass dieses Gruppendenken weiter vorhanden ist.

00:44:59: Jetzt kommt dazu, dass die Leute, die im Bürgerkrieg,

00:45:02: die Warlords waren, die die Kriege bestimmt haben,

00:45:06: die Generäle, dass die in den jetzigen Machtpositionen sitzen.

00:45:10: Und da ist es sehr nachvollziehbar,

00:45:12: dass die gesamte Politik und dadurch auch der gesamte öffentliche Raum,

00:45:16: weil der durch den politischen Diskurs quasi gekapert ist,

00:45:20: dadurch getrieben ist, dass man ständig mit der Angst der Gesellschaft spielt.

00:45:25: Das heißt, politische Führer, die damals im Krieg Generäle waren,

00:45:30: die sagen, wenn ich das und das jetzt nicht bekomme, politisch,

00:45:34: dann ist das wie, als wenn wir wieder im Bürgerkrieg wären.

00:45:38: Das heißt, es wird immer ein bisschen damit gespielt mit Gewissen.

00:45:40: Da gibt es auch Begriffe, die genannt werden,

00:45:42: die dann eine gewisse Angst auslösen in der Bevölkerung.

00:45:45: Und so schaffen es die politischen Machthaber,

00:45:48: diesen öffentlichen Diskurs dazu vollständig zu erdrücken.

00:45:52: Daher sind staatliche Museen dort nicht der richtige Ansatz.

00:45:55: Es gibt viele Museen im Libanon, aber die sind alle maximal unpolitisch.

00:45:59: Das Einzige, was dort geschichtlich behandelt wird,

00:46:01: ist vielleicht das libanisische Finanzsystem.

00:46:04: Es gibt ein Museum in Beirut, das eröffnet hat vor einigen Jahren,

00:46:07: das heißt Bait Beirut.

00:46:09: Das wurde eröffnet in einem Haus, was vom Bürgerkrieg gekennzeichnet ist.

00:46:14: Da haben Aktivisten jahrelang dafür gekämpft,

00:46:16: dieses Haus zu erhalten, weil es eigentlich hätte abgerissen neu aufgebaut werden sollen.

00:46:21: Und dieses Haus steht für den Bürgerkrieg,

00:46:23: weil man findet viele Einschusslöcher,

00:46:25: man weiß, dass dort viele Dinge passiert sind.

00:46:28: Und in diesem Museum wird der Bürgerkrieg aber vermieden.

00:46:32: Man spricht maximal über das Finanzsystem,

00:46:35: man spricht aber nicht darüber, was im Bürgerkrieg passiert ist.

00:46:38: Und das zeigt, dass Museen zwar ein guter Ansatz an sich sein können,

00:46:43: aber der Schritt wirklich offen, das Thema zu behandeln,

00:46:48: wird noch nicht gemacht.

00:46:50: Und Kunst und Kultur sind schon immer der Raum gewesen,

00:46:54: wo die Meinungsäußerung, wenn sie im öffentlichen Diskurs nicht möglich ist,

00:46:59: auf eine gewisse andere Art und Weise reflektiert werden kann

00:47:02: und so in den Diskurs eingebracht werden kann.

00:47:04: Und das passiert gerade im Libanums,

00:47:06: passiert sehr viel und auch mit den richtigen Ansätzen,

00:47:10: bzw. mit den Ansätzen, wo man selbst vor Ort sieht,

00:47:12: dass das die Zukunft ist,

00:47:14: es fehlt nur noch der Schritt auf die gesamtgesellschaftliche Ebene.

00:47:19: Und deswegen merken wir auch in unseren Dialogen,

00:47:22: dass ein extremer Bedarf ist, dass Leute miteinander sprechen.

00:47:25: Wir haben deshalb nicht nur einen Dialog zu diesem Thema gemacht,

00:47:28: sondern schon zwei.

00:47:29: Und es wird auch noch weitere Dialoge zu diesem Thema geben,

00:47:32: weil wir jedes Mal danach das Feedback bekommen,

00:47:35: dass es eine sehr wichtige Initiative ist, die wir dort machen,

00:47:39: und dass es weiter nötig ist, dass Leute miteinander sprechen zu diesem Thema.

00:47:42: Ihr macht diese Dialoge und was passiert mit den Dialogen dann?

00:47:47: Die Dialoge sind erst mal ein geschützter Raum.

00:47:49: Das heißt, alle Leute, die dort sprechen, können frei über das Sprechen,

00:47:53: was sie wollen.

00:47:54: Es wird aufgenommen, aber erst mal nicht veröffentlicht.

00:47:57: Anschließend gibt es einen Journalist, eine Journalistin,

00:48:00: die sich diese Dialoge anschaut.

00:48:02: Und damit die Ideen, die im Dialog vorgeschlagen werden,

00:48:05: wie man gemeinsam Brücken bauen kann,

00:48:07: wie man gemeinsam dieses Problem, diese Herausforderung angehen kann,

00:48:11: diese Ideen werden dann publiziert in Form eines Artikels,

00:48:15: in Form eines weiteren tiefergehenden Interviews.

00:48:19: Wenn man merkt, das ist eine Perspektive,

00:48:21: da müssen wir noch mal nachhaken.

00:48:23: Oder auch in Form einer kurzen Zusammenfassung,

00:48:26: dass quasi der ganze Dialog mit Bulletpoint zusammengefasst wird,

00:48:30: um zu sehen, wie das denn ablief, diese Diskussion.

00:48:33: Du hattest jetzt schon mehrfach erwähnt,

00:48:36: die Herausforderung ist, das Ganze eben auf eine

00:48:39: höhere gesellschaftliche Ebene zu heben.

00:48:42: Hast du eine Idee, einen Impuls, was es dafür benötigen würde,

00:48:47: dass das passieren kann?

00:48:49: Ich denke, es ist tatsächlich dieser individuelle Ansatz,

00:48:53: dass Leute, die im Bürgerkrieg groß geworden sind,

00:48:58: aufgewachsen sind, ihnen miterlebt haben,

00:49:00: oder auch durch die Erzählungen ihrer Eltern,

00:49:03: sich emotional darüber äußern können,

00:49:06: wie sie dazustehen, was sie erlebt haben,

00:49:08: was sie damit verbinden.

00:49:10: Denn so schafft man dort den Raum,

00:49:13: wo er erst mal am dringendsten benötigt wird.

00:49:16: Weil man muss sich vorstellen,

00:49:18: das Durchschnittsalter der Leute, die im Bürgerkrieg gekämpft haben,

00:49:21: die waren 18, die waren knapp unter 18.

00:49:24: Das heißt, das sind junge Menschen,

00:49:26: die ihre Identität in einer der prägendsten Phasen ihres Lebens

00:49:29: darauf aufgebaut haben, für eine confessionelle Gruppe zu kämpfen

00:49:33: und damit auch ihr Leben potenziell zu geben.

00:49:36: Und das ist klar, dass wenn diese Menschen das an ihre Kinder weiter tragen,

00:49:39: an ihre weitere Familie mit dieser weiter tragen,

00:49:41: dass das einen extrem prägt und eine Gesellschaft extrem prägt.

00:49:45: Und deswegen ist dieser individuelle Ansatz dort,

00:49:48: über das eigene Leid zu sprechen, extrem wichtig,

00:49:51: um alle diese Stimmen auf der libanesischen nationalen Ebene zu hören.

00:49:57: Es gibt zum Beispiel die Fighters for Peace Initiative,

00:50:00: die genau das macht.

00:50:01: Das sind ehemalige Kämpfer, die erzählen, was sie erlebt haben,

00:50:05: die erzählen, wie ihre persönliche Identität dazu beigetragen hat,

00:50:08: erst ihr Leben für ihre Gruppe zu geben und irgendwann zu merken,

00:50:12: so, hey, das hat gar keinen Sinn.

00:50:14: Wir leben gemeinsam in diesem Land und wir müssen auch gemeinsam

00:50:17: in Zukunft in diesem Land leben.

00:50:19: Und eigentlich wollen wir das auch.

00:50:21: Und diese ehemaligen Kämpfer, die sind heute eine Gruppe,

00:50:24: die, wie gesagt, Fighters for Peace, die sich heute für Frieden einsetzen

00:50:27: und versuchen, diese ganzen Ressentiments,

00:50:30: die diese Gruppen immer noch gegeneinander haben, anzugehen,

00:50:33: indem sie sagen, hey, das, was ihr dort denkt,

00:50:36: was die anderen Gruppen über euch denken, das stimmt so nicht.

00:50:39: Ich danke dir, Alex, dass du uns einen Blick gegeben hast

00:50:43: und damit auch Impulse gesetzt hast,

00:50:45: dass wir über andere vielleicht anders denken

00:50:49: oder da die Perspektive öffnen.

00:50:51: Ich danke dir vielmals für die vielen Beispiele

00:50:53: und natürlich für die tolle Sache, die du machst.

00:50:56: Vielen Dank, Sabrina.

00:50:57: Das war es heute zum Thema Erinnerungskultur.

00:51:03: Erinnerungskultur ist also nicht nur ein Museum oder eine Gedenktafel,

00:51:07: auch Medien wie Filme oder journalistische Publikationen

00:51:11: schaffen Zugang zu geschichtlichen Ereignissen

00:51:14: und die daraus entstehenden verschiedenen Betrachtungsweisen

00:51:18: sind super wichtig.

00:51:19: Das ist was ich heute mitnehme.

00:51:21: Außerdem können journalistische Publikationen dazu beitragen,

00:51:24: dass ein Verständnis für einander entsteht

00:51:27: und somit die harten Fronten aufweichen.

00:51:30: Wie geht es euch mit dieser Folge?

00:51:32: Wie denkt ihr darüber?

00:51:33: Schreibt mir doch gerne einen Kommentar zum Beispiel auf Spotify

00:51:37: oder eine E-Mail.

00:51:39: Wir hören uns ganz bald wieder.

00:51:41: Alex werde ich auch noch mal einladen in diesem Podcast

00:51:44: und damit ihr keine Folge verpasst,

00:51:46: drückt jetzt den Follow-Button

00:51:48: und wir hören uns dann ganz bald wieder.

00:51:50: Das war es für heute von mir.

00:51:52: Mein Name ist Sabrina Harper

00:51:54: und das ist der Podcast Media for Peace.

00:51:57: Media for Peace, der Podcast für friedensorientierten Journalismus.

00:52:02: Eine Produktion des Media Lab Bayern.

00:52:05: Media for Peace ist eine Kooperation mit dem DTEC BW,

00:52:08: Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr

00:52:12: und der Universität der Bundeswehr München.

00:52:15: Ich bin der Herr von der Universität der Bundeswehr München.

00:52:19: [Aufregung]

00:52:21: Die Sendung wurde zur巧zischen Wahlkustel von Sóf suicide報g, von der Ameliebe-Ordin Kösse von mirурn.

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